Frances Maynard: „Wie Ellie Carr zu leben lernt“
Am: | Februar 13, 2018
Elvira Carr, genannt Ellie, lebt schon lange, seit siebenundzwanzig Jahren. Und ganz gut. Sie weiß es nur noch nicht. Und es sind die Regeln der Gesellschaft, die es zu verstehen und erlernen gilt. Sie ist ein wandelndes Lexikon in Sachen Kekse. Unglaublich, was man darüber wissen kann, wenn man will. Auch über ihre Lieblingsserien weiß sie eine Menge und lernt daraus auch eine Menge fürs Leben.
Ansonsten hält sie sich an ihre Mutter. Die weiß immer alles, sagt wie man was zu machen hat. Denn Ellie ist Autistin. Also, laut Mutter, eine Belastung. Dennoch hat sie sehr viel von ihr gelernt und macht ihre Aufgaben gründlich.
Die Aussagen bringt sie auf den Punkt. Was beim Leser für manch heiteren Moment sorgt. Deckt es doch Konventionen auf, die niemand hinterfragt. Oder regt Gedanken an, wie es denn wäre, die Sachen anders handzuhaben.
Denn ihre Mutter erleidet einen Schlaganfall. Und von einen auf den anderen Moment wird es für Ellie anstrengend. Wenn sie sich aufregt, knäult sie den Pullover am Saum zusammen. Und erinnert sich prompt daran, wie Mutter sie ermahnt, es zu lassen. Bei jedem einzelnen Schritt sind die Worte ihrer Mutter präsent. Teilweise nicht wirklich inhaltlich verstanden. So denkt sie bei „verbotenen“ harmlosen Handlungen, wie alleine mit dem Bus fahren und eine Veranstaltung besuchen, an die Worte: „…dann kommt es wieder zu Vorkommnissen…“. Vor denen hat sie Sorge, ohne sie benennen zu können.
Dennoch stellt sie sich tapfer dem Leben. Denn die Drohung sonst ins Heim zu müssen, ist ihr gut in Erinnerung. Sie fragt ihre Nachbarin. Diese hilft teilweise. Hat aber eine Familie, die ihre eigenen Kämpfe hat und auch nicht gut auf die „verrückte“ Nachbarin zu sprechen ist.
Ellie macht sich eine Liste mit sieben Regeln. Mit denen kommt sie durch den Dschungel von Menschen und ihren Handlungen. Sie geht neue Wege, entdeckt das Internet und seine Möglichkeiten. Übernimmt eine ehrenamtliche Aufgabe und erfährt Bestätigung, Unachtsamkeit im Umgang und auch versuchtes Ausnutzen. Aber die Tiere geben ihr viel. Und eine Bekanntschaft, die wertvoll wird für ihr Leben. Obwohl sie nebenbei und unaufdringlich mitläuft.
Sie entdeckt per Zufall ihre Familie neu. Versteht oder ahnt im Laufe der Zeit, dass Aussagen eher Andeutungen waren und ein anderer Inhalt dahintersteht. Die Menschen müssen neu gesehen werden. Und neu kennengelernt werden. Und die eigene Position ändert sich und darf es sogar aus ihrer Sicht – eine riesige Entwicklung. Sie gewinnt Standpunkte in ihrem Leben, die ihre eigenen sind. Selbst erarbeitet! Und so kann sie weiter alleine in ihrem eigenen Haus leben und ein eigenständiges Leben führen. In ihrem Rahmen.
Ein gutes Buch. Es hinterlässt ein gutes Gefühl. Was möglich ist. Und stellt die Frage, warum ein „normaler“ Mensch mit so viel mehr Möglichkeiten in seinem eignem kleinen (und oft selbst gezimmerten) Käfig bleibt. Es wirkt glaubhaft und authentisch. Man merkt, die Autorin hat reichlich Erfahrung mit diesen besonderen Menschen. Dieser Roman schenkt uns ein Lächeln, Fragen und sehr gute Unterhaltung, die Laune macht.
(C. S.)
Autor: Frances Maynard
Titel: „Wie Ellie Carr zu leben lernt“
Gebundene Ausgabe: 448 Seiten
Verlag: Wunderraum
ISBN-10: 3336547903
ISBN-13: 978-3336547906