Christian Gottwalt: „Ich bin ein Mann, holt mich hier raus! – Allein bei einem Frauenmagazin“
Am: | Juni 22, 2009
Cora (Chefin vom Dienst), Vicky, (Redaktionsleiterin), Jenny (Mode), Meike (auch Mode), Katja, (Modeservice), Marion (Leitung Accessoires), Hannelore (Beauty), Carlotta (Autorin), Mathilda (Stars, Part und Trends), Ingrid, Anna, Miriam, Monika, Maja, Claudia, Magenta, Saskia, Anita, Babsi, Alice und und und
Alles Frauen, Frauen, nichts als Frauen, und als neuer Textchef mittendrin: Markus Bauer. Der Hahn im Korb, der einzige Mann in der großen Redaktion des Frauen- und Lifestyle-Magazins ItGirl. – Ein Traumjob?
Hannelore betritt mein Büro.
„Das war ja ein voller Erfolg, dein Beauty-Basar, oder?“
„Na ja, was sagst du eigentlich zu meinen Wimpern?“
Ich blicke Hannelore kritisch in die Augen: „Die sind toll!“
Hannelore guckt skeptisch.
„Umwerfend, wirklich! Darf ich dich anfassen, ohne was kaputt zu machen?“
„Aber ja.“
Wir umarmen uns kurz. Danach klimpert Hannelore mit ihren neuen Wimpern. Anderthalb Stunden habe das gedauert. Wer schön sein wolle, der müsse halt leiden.
Wer so etwas lesen wolle, der lese es.
Der Roman liest sich wie die Transkription einer Vorabendserie bei SAT1 oder RTL. Die Sprache ist modisch, locker, belanglos. Atmosphärisch kann Gottwalt das sinnfreie Geplapper in den Redaktionsstuben gut einfangen. Es ist die Beschreibung einer Frauenwelt. Dies sei an dieser Stelle festgehalten, ganz ohne eine Bewertung.
Gottwalt schildert den Berufsalltag in der Redaktion eines Frauenmagazins. Es sind die Frauen, die die Rolle der Akteure übernehmen. Der Protagonist und Ich-Erzähler ist immer nur der passiv sich auf den steten Fluss neuer Aufgaben einrichtende Mann, der Mann im Haus, um den sich die Frauen scharen und zu ihm aufschauen.
Ganz so chauvinistisch ist die Geschichte dann doch nicht. Aber Markus Bauer, auch der Name klingt nach Arztroman, wird schnell seiner Illusionen von einem traumhaften Leben als Macho unter elfengleichen, langbeinigen Wesen beraubt. In der Frauenredaktion tobt der übliche Zickenkrieg, und der einzige Mann wird da schnell zum Spielball der konkurrierenden Frauenmannschaften.
Christian Gottwalt hat die Geschichte seines Romans nicht frei erfunden; er war selbst zwei Jahre Textchef beim Frauenmagazin Instyle. Das hat ihn offenbar so sehr beeindruckt, dass er sich entschied, daraus einen Tatsachenroman zu schustern. Vielleicht hatten ihn auch die neidischen Bemerkungen seiner männlichen Freunde auf die Dauer so genervt, dass er sich genötigt sah, die Fantasien seiner Bekannten richtig zu stellen.
Soviel wird dem Leser klar: Allein als Mann bei einem Frauenmagazin zu arbeiten hat in etwa denselben Reiz wie als einzige Frau auf einer Ölplattform zu leben. Allerdings gehen die Frauen mit Markus freundlicher um. Jedoch braucht man als einziger Mann bei einem Frauenmagazin Nerven aus Stahl. Das Leben besteht plötzlich nicht mehr aus stiller und zurück gezogener Arbeit, sondern das Geplapper der Protagonistinnen vermischt sich mit dem Geschreibsel der Magazinartikel und Bildunterschriften, für die Markus Bauer als Textchef bei ItGirl verantwortlich ist.
Hier finden sich auch die stärksten Textpassagen des Buches, wenn der Ich-Erzähler schnell mal einen Werbetext für ein neues After Shave oder über Haarlocken schreiben soll.
„Ich bin ein Mann, holt mich hier raus!“ ist kein Buch für Männer, es sei denn, sie sind schwul oder wollen bei einem Frauenmagazin arbeiten. Dann sei die Lektüre als Warnung vor einer Nerven zerrüttenden Karriere oder zur heilsamen Abschreckung empfohlen.
Wer jedoch wissen möchte, wie es in der weiblichen Arbeitswelt einer Illustrierten zugeht und wie Frauen im seicht-journalistischen Genre miteinander arbeiten, oder wer einfach Spaß an einer netten Vorabendserie auf 288 Seiten hat, der lese Christian Gottwalts Roman „Ich bin ein Mann, holt mich hier raus!“
Autor: Christian Gottwalt
Titel: „Ich bin ein Mann, holt mich hier raus!“
Broschiert: 192 Seiten
Verlag: Heyne Verlag
ISBN: 3453405706
EAN: 978-3453405707
Tags: frauenmagazin > mann allein unter frauen > mode > werbung